Die Pflege von Glattleder

  • Wenn es bei der Schuh- und Lederpflege ein Spachbabylon gibt, dann garantiert bei den Schuhcremes.
    Wer sich den Eintrag http://de.wikipedia.org/wiki/Schuhcreme dürfte nach dem Lesen auch nicht viel schlauer sein als vorher.
    (-> Literaturhinweis/Autor).
    Der Oberbegriff ist Schuhwichse, sie unterteilt sich in Schuhcreme mit weicher Konsistenz und Schuhwachs, auch Wachspaste genannt, mit einer wesentlich härteren Konsistenz.
    Ein weiterer Unterschied liegt in den unterschiedlich hohen Wachsanteilen, während Schuhcreme ungefähr 30 % Wachsanteil aufweist so sind es beim Schuhwachs rd. 40 %.

    Die Schuhcreme kann eine Emulsion auf Wasser- oder auf Ölbasis sein wie z.B. die Cremes der Firma AVEL sein.
    Emulsionen auf Wasserbasis enthalten keine Lösungsmittel.
    Sie enthält neben dem Wachsanteil auch Öle und Fette, die ins Leder einziehen und in dessen tieferen Schichten die bei der Gerbung eingebrachten Öle (Fette) wieder zu ergänzen,
    um so das Leder vor dem Austrocknen und Verhärten der Fibrillen/Lederfasern zu schützen und deren Zwischenräume aufzufüllen,
    so dass diese sich wieder reibungsarm bewegen können und das Lederfasergefüge erhalten bleibt, um einen sogenannten Lederbruch zu vermeiden.
    Dies hat bei Schuhen den Effekt, dass sich Gehfalten nicht so stark ausbilden oder bei getragenen Schuhen ggf. mindern:
    Die Gehfaltenkanten sind nicht so steil (scharf) wie bei einer reinen Wachspflege oder gar ohne jegliche Pflege.
    Die enthaltenen Farbpigmente lagern sich beim Eincremen in der oberen Lederschicht ab und frischen so die Farbe auf oder tönen sie nach Wunsch ab.
    Schuhcremes werden unmittelbar nach dem Antrocknen, ganz im Gegensatz zu den Wachsen, also sofort mit der Bürste oder einem Baumwolllappen auspoliert.

    Das Schuhwachs enthält neben Bienen- und Carnaubawachs einen sehr hohen Lösungsmittelanteil (Terpentinöl bei hochwertigen Produkten] als Weichmacher, der die Verteilbarkeit des Wachses auf dem Leder überhaupt erst ermöglicht.
    Die darin enthaltenen Farbpigmente lagern sich beim Einwichsen der Schuhe nur auf der Lederoberfläche an.
    Farbloses Wachs enthält einen noch höheren Lösungsmittelanteil von annähernd 60 %; da dieser hohe Lösungsmittelanteil die Färbung des Leders ausbleichen lassen kann (Herauslösen von Farbpigmenten) empfiehlt sich farbloses Wachs nicht zur Daueranwendung.
    Wachse unterscheiden sich bezüglich ihrer Qualität ebenso wie die Schuhcremes speziell in der Qualität ihrer Inhaltsstoffe wie Öle/Fette und bei Wachsen dem Lösungsmittel wie Balsamterpentinöl oder den billigeren auf Mineralölbasis.
    Ich habe hier zum Beispiel eine Dose Schuhwachs, bei dem aus unerklärlichen Gründen vermutlich das Lösungsmittel ausgefallen ist, es klebt als dunkle Schmiere in der Blechdose.
    Schuhwachse werden erst nach dem Aushärten, dem Ablüften des Lösungsmittels, also nach einer halben Stunde und mehr, auspoliert
    Der Schutzeffekt der Schuhwachse wird oft übertrieben dargestellt!
    Bei einer hauchdünnen und einmaligen Auftrag mit Auspolieren ist er nur in sehr geringem Umfang vorhanden; Regentropfen dringen recht schnell ins Leder ein.
    Trägt man dagegen mehrere Wachsschichten auf, dann erst ist der Effekt deutlich sicht- und feststellbar: Regentropfen perlen sehr schnell ab und Anstöße hinterlassen wohl ihre Spuren in der Wachsschicht, beschädigen aber nicht das darunter liegende Leder selbst.
    Bitte nicht von Bildern beeindrucken lassen, denn die Bildunterschrift verrät so gut wie nie wie das Leder zugerichtet wurde, sprich: ob es hydrophobiert wurde und dann haftet der Wassertropfen wohl sehr, sehr lange darauf.

    Schuhwachse/-pasten sind nicht zur Pflege von hydrophobiertem Leder geeignet wie Versuche der Materialprüfung der Bundeswehr gezeigt haben, da die Lösungsmittel die aufgebrachte Hydrophobierschicht anlösen oder gar ganz zerstören können.
    Zur Pflege dieses Leders kommen nur Schuhcremes ohne Lösungsmittel, also Schuhcremes auf Wasserbasis infrage. http://www.youtube.com/watch?v=nL2ka6Evjc8

    Farblose Pflegecreme (kein Wachs!)
    Diese wird auch Lederlotion genannt, hat eine milchige Konsistenz und enthält bis zu 30 % Bienenwachs.
    Diese Pflegecreme kann grundsätzlich zur Pflege aller Glattleder verwendet werden: sie reinigt zwar auch das Leder, ist aber von der Wirkung her Lederseife oder einem noch stärkeren Lederreiniger zu vergleichen.
    Ihr Haupteffekt liegt in der pflegenden Wirkung, da sie ins Leder einzieht und nach dem Abpolieren die Oberfläche schützt.

    Mehrkomponenten-Schuhpflegemittel
    Burgol Golfwachs baut nach Angaben des deutschen Vertriebs auf der "Burgol Palmenwachsschuhcreme" [tatsächlich ein Schuhwachs/-paste], dem Sportwachs und Juchtenfett (Lederfett ) auf.
    Der deutsche Vertrieb empfiehlt eine wechselweise Anwendung von Golfwachs und der "Palmenwachsschuhcreme".
    Dies lässt den Schluss zu, dass bei dauerhafter Anwendung dieses Golfwachses das Leder durch das enthaltene Juchtenfett stumpf und glanzlos werden könnte.

    Cirage Baume 1789 von Avel
    Patentierte 3 in 1 Ledercreme mit weißen Streifen zum Schutz bei schlechtem Wetter, die zur Daueranwendung geeignet ist.

    Spezialpflegemittel:
    Deckwachs:
    Wachs mit einem erhöhten Anteil an Farbpigmenten, um so eine höhere Deckwirkung auf dem Leder zu erzielen und ggf. kleine Scharten abzudecken.
    Ich selbst halte stark deckende Wachse für weniger geeignet, um eine mehrschichtige Glanzpolitur zu machen - die Geschmäcker mögen dabei aber verschieden sein.
    Wenn jemand ausschließlich Schuhwachs zur Pflege seiner Schuhe benutzt, was nach meiner Meinung weniger zu empfehlen ist, weil dabei dem Leder,
    besonders nicht dessen mittlerer und unterer Schicht die erforderlichen Öle zugeführt werden können, dem sei zu einem Deckwachs zu raten.

    Glanzwachs:
    Wachs mit wesentlich höherem Anteil an Lösungsmittel, um eine bessere Verteilung und eine leichtere Egalisierung des Wachses bzw. seiner Oberfläche zu erreichen, damit die Politur stärker glänzt.
    Nach einer älteren Pressenotiz soll der französische Hersteller Famaco ein solches Wachs für J.M. WESTON herstellen - es gelang mir jedoch bisher nicht Deatils herauszufinden.

    Flüssiges Carnaubawachs:
    Flüssigkeit mit einem sehr hohen Anteil an Carnaubawachs, dass mit einem Lappen aufgetragen wird; es wird in erster Linie von Profis zu Hochglanz-Präsentationen eingesetzt, da seine Anwendung einige Erfahrung erfordert:
    Man muss den richtige Aushärtezeitpunkt erwischen, um das Wachs auszupolieren, da eine zu frühe oder eine zu späte Politur den dünnen Wachsfilm beschädigen würde.

    Lederöl (KEIN Ledersohlenöl):
    Farbloses, reines Pflanzenöl zum Ausgleich des Ölgehaltes und der Feuchtigkeit der mittleren und unteren Lederschicht.
    Vor dem Gebrauch ist das Leder in jedem Fall gründlich zu reinigen, also alle Wachs- und Cremeschichten zu entfernen, um Verfärbungen zu vermeiden.
    Es eignet sich hervorragend, um auch jahrzehntealtes Leder, sofern es noch kein Lederbruch vorliegt, wieder glatt und "geschmeidig" zu machen.

    Weitere, spezielle Pflegemittel zur Reparatur von Scharten, Kratzern usw. werde ich unter der entsprechenden Überschrift vorstellen.

    Es gibt also in der Reihenfolge ihrer Anwendung:
    Lederlotion - zur leichten Reinigung, der Tiefenpflege und mit leichtem Schutzeffekt der Oberfläche.
    Schuhcremes - auf Öl- und auf Wasserbasis, zur Tiefenpflege des Leders mit leichtem Schutzeffekt, zur Farbauffrischung oder -konservierung, leichter bis mittlerer Glanzeffekt
    Schuhwachs - zum Schutz der Oberfläche und für die Glanzpolitur, geringe bis keine Pflegewirkung.

    Neue Schuhe
    Die folgende Anleitung gilt nur für Leder ohne Deckzurichtung.
    Gerade neue Schuhe sollten nicht ohne eine Behandlung mit einer Schuhcreme getragen werden, da das neue Leder relativ trocken ist.
    Die Schuhmacher verarbeiten in erster Linie chrom- oder chromvorgegerbtes Leder; dieses ist weit weniger dehnfähig als vegetabil gegerbtes Leder, da es über den Leisten gespannt wird (Zwicken).
    Vegetabil/pflanzlich gegerbtes Leder ist dehnfähiger und erfordert beim Zwicken weit mehr Aufwand, meist sogar ein Nachzwicken des Schaftes.
    Damit die Lederfasern nicht im Bereich der Gehfalten brechen brauchen sie einen höheren Feuchtigkeitsgehalt in Form von Ölen und Fetten.
    Daher werden Schuhe vor dem ersten Tragen mit einer Schuhcreme eingerieben. Dies hat den Nebeneffekt, dass man die Farbe des Schuhes geringfügig verändern kann.
    Eine Behandlung mit einer Lederlotion kann ebenfalls statt des Eincremens vorgenommen werden – dabei bleibt dann die Originalfarbe unverändert erhalten.
    Der Nachteil liegt darin, dass beim anschließenden Eincremen mit einer farbigen Schuhcreme das Leder bereits (etwas) gesättigt ist, weniger Creme aufnimmt und damit auch weniger Farbpigmente einlagert.
    Mit dieser Vorbereitung bilden sich die Gehfalten nicht mehr so stark aus wie ohne das Eincremen und deren Kanten sind nicht mehr so steil; ein sogenannter Lederbruch (im Extremfall) wird vermieden.
    Ein Schuhwachs eignet sich dafür nicht, da es nur auf der Oberfläche des Leders haftet.
    Vorsicht ist angeraten bei der Anwendung einer Schuhcreme wie z.B. der SMDO, da sie ein Lösungsmittel, wenn auch nicht so viel wie Schuhwachs, enthält:
    mir selbst ist es schon passiert, dass ich bei fabrikneuen Schuhen damit die auf die Schuhspitze aufgetragene dunkle Farbe abgerieben habe, da sie wahrscheinlich keinen Farbstabilisator enthielt.

    Kontrastnähte:
    Vor dem Eincremen bitte die Kontrastnähte mit einem schmalen Pinsel und Schuhwachs in der Fadenfarbe einstreichen, damit der Faden keine Schuhcreme in der anderen Farbe (Kontrastnähte!) aufnehmen kann. Der Faden der Kontrastnaht nimmt das Wachs auf und es legt sich wie ein Mantel darum.
    Anschließend die Schuhe eincremen und dabei darauf achten, dass man die Creme nicht in das Wachs hineinreibt.

    Bicolor- und Bimaterial-Schuhe:
    Zuerst das hellere Leder eincremen und mit einem Lappen eventuelle „Verrutscher“ auf das dunklere Leder sofort abwischen – dunkler Eincremen geht fast immer wenn die helle Farbe nicht gerade Weis ist.
    Eine Schablone aus einer transparenten Kunststofffolie vermag auch hier wertvolle Dienste zu leisten:
    Diese jedoch nicht in einem (zu) flachen Winkel anhalten, weil sich dann die Schuhcreme unter die Folie ziehen kann, was ja gerade nicht gewollt ist.
    Wenn möglich die Schablone für den Stoff-/Nubuk-/Raulederbereich passend zuschneiden und unter die Kante des Glattleders schieben wenn dies auf dem Stoff/Nubuk/Rauleder aufliegt.
    Liegt das Rauleder (Nubuk, Stoff), was seltener anzutreffen ist, auf dem Glattleder auf, dann wird es schon bedeutend heikler:
    dann bitte die Schablone(n) an das Schuhprofil (Oberflächenprofil) angepasst zuschneiden und beim Eincremen senkrecht vor das Rauhleder halten.
    Bimaterial-Schuhe wie z.B. Glattleder + Nubuk oder Rau-/Wildleder oder Stoff:
    Zuerst das Glattleder eincremen und dabei nach Möglichkeit Schablonen verwenden; an den Rändern zum Rauhleder/Nubuk oder Stoff mit einem schmalen Pinsel arbeiten.
    Vor dem Polieren der Creme die Schuhe einsprühen, weil dann der Sprühnebel auf der Creme haftet, die später abgebürstet wird.
    Nach dem Auspolieren der Creme nach ungefähr 5 Minuten können die Schuhe dann je nach Gusto eingewachst (Schuhwachs) und poliert werden.
    Insbesondere bei neuen industriell hergestellten Schuhen, die in der Regel kein besonders gutes Leder aufweisen, da die Schuhe ja möglichst billig sein müssen, empfiehlt es sich allerdings die ersten 2, 3 oder 4 Pflegen nur mit einer Schuhcreme durchzuführen, damit das Leder genug Öle aufnehmen und Farbpigmente einlagern kann.

    Pflegevideo von J.M. WESTON:
    http://www.jmweston.com/index.html
    => SAVOIR ET HISTOIRE
    => ENTRETIEN ET RÉPARATION
    => L'ART DU CIRAGE ET DU GLACAGE

    Weitere Videos auf Französisch:
    http://www.linternaute.com/video/592...s-en-bon-etat/
    http://www.linternaute.com/video/592...sures-en-cuir/
    http://www.linternaute.com/video/592...acage-du-cuir/

  • Glanzwachs:
    Wachs mit wesentlich höherem Anteil an Lösungsmittel, um eine bessere Verteilung und eine leichtere Egalisierung des Wachses bzw. seiner Oberfläche zu erreichen, damit die Politur stärker glänzt.
    Nach einer älteren Pressenotiz soll der französische Hersteller Famaco ein solches Wachs für J.M. WESTON herstellen - es gelang mir jedoch bisher nicht Deatils herauszufinden.

    Ist damit vielleicht das Produkt L'Abbaye gemeint?

    Link

    Wird ja zumindest ausgeschrieben als Wachs, der extra für die Wasserglanzpolitur ist oder diese zumindest verbessern soll aufgrund des sehr hohen Anteils von Bienenwachs.

    Auch auf der Seite von Monsieur Chaussure ( Link ) wird der Wachs in den Pflegeanleitungen benutzt, wobei sonstige Produktempfehlungen Richtung Saphir gehen.

  • Das kann das damals angesprochene Wachs sein, genau wissen tue ich es nicht.
    Es kommt bei der WGP nur auf den erhöhten Lösungsmittelanteil im Wachs an, um eine bessere/leichtere Egalisierung hinzubekommen.
    Ich würde mir jetzt nicht extra eine Serie von Wachsen kaufen, nur um ab und an leichter eine WGP machen zu können. :wink:

  • Ich würde mir jetzt nicht extra eine Serie von Wachsen kaufen, nur um ab und an leichter eine WGP machen zu können. :wink:

    Genau das habe ich getan. Muss ich Dir jetzt meine Sachen zurückgeben?:biggrin:
    gruss

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