Eigenen Leisten zum Schuhmacher schicken?

  • Ich entschuldige mich für meine naiven Fragen, davon habe ich sogar zwei.

    1. Ist es eigentlich ohne weiteres möglich, einem Schuhmacher den eigenen Leisten zu schicken, damit er darauf einen Maßschuh anfertigt und den Leisten anschließend zurückgibt? Bzw., ich nehme an, das müsste möglich sein, meine Frage ist wohl eher, wie beschränkt ist man bei Modell und Form, wenn man nur einen eigenen Maßleisten nutzt?

    2. Kennt jemand zufällig einen guten Leistenhersteller für Privatpersonen in Deutschland? Am liebsten mit Vermesserung, Herstellung, Probeschuh, dann Anpassen des Leistens und den Leisten nehme ich mit nach Hause.

    Vielen Dank, liebe Leute :)

  • Zur ersten Frage:

    Es kommt darauf an ob der Schuhmacher das akzeptiert und in wieweit er sich von einer Haftung, dass beispielsweise der Schuh
    nicht vollständig den Erwartungen was die Passform betrifft, freistellen lässt - Ausführungsmängel wie schief sitzender Schaft oder
    ungleichmäßige Nähte und dergleichen mehr wären davon natürlich ausgenommen.

    Die Leistenform gibt natürlich auch die Schuhform, speziell die Schuhspitze vor - ist diese oval, dann kann der Schuhmacher später
    auch nur Schuhe mit ovaler Spitze darauf machen.
    Den Schaft dagegen kann man frei gestalten, ob aus glattem oder aus Rauleder, Spitzenkappe(nbesatz), Plastron, Fersenkappe, Farbe, Schnürung usw..

    Hat der Schuhmacher ein gutes Verhältnis zu dem Originalleistenmacher, dann kann der wiederum am Bildschirm dem Leisten eine andere Spitze
    nach Vorgabe durch den Schuhmacher, also in beiden Fällen ist der gemeint, der die Schuhe macht, am Monitor via CAD konstruieren und
    von der Maschine verarbeiten lassen.

    Gemeint ist damit, dass die Grundform des Leistens bis zur Ballenlinie unverändert bleibt aber nach vorne hin die Leisten (Schuh) Spitze
    nach Kundenwunsch geändert wird wie beispielsweise von oval auf Meißelspitze (Chisle toe):
    Der Leisten würde insgesamt dann etwas länger wie immer wenn die Schuhspitze recht spitz zulaufen soll im Vergleich zu einer runderen.

    Zur zweiten Frage:

    Leistenmacher wie SPENLÉ fertigen nach Vorgabe des Schuhmachers nur die Leisten(formen), sie führen aber keine Fußvermessungen und dergleichen mehr aus.
    Sobald der Rohleisten vom Schuhmacher korrigiert ist können sie dann das finale Leistenpaar erstellen.

    Ergo braucht man einen versierten Maßschuhmacher, der bereit ist im Lohnauftrag ein Leistenpaar zu erstellen - dies wäre Dein alleiniger Ansprechpartner.
    Er muss die Füße vermessen, Fußabdrücke nehmen, die Trittspur in Hartschaum und Deinen Gang analysieren und dabei auf die Fußstellung,
    Schrittweite, Aufsetzen und Abdrücken und dergleichen mehr achten:
    Allein dieses Fachwissen basierend auf zahlreichen Erfahrungswerten nebst dem sehr erheblichen Zeitaufwand dafür, das Handling mit dem Leistenhersteller
    bzw. den Arbeitsaufwand wenn er die beiden Leisten selbst schnitzt plus die Probeschuhe und alle Korrekturen lässt sich der Maßschuhmacher bezahlen.

    Ich wollte schon schreiben "gut bezahlen", denn das ist zweifelsfrei das absolute Gros bei der Maßschuhanfertigung - die finalen Schuhe für den Kunden zu machen ist binnen 8 und mehr Arbeitsstunden erledigt - besondere Ausführungen wie Fiddle Bevelled Waist, verdeckte Sohlennaht (Leistenoberseite)
    und versenkte Naht in der Sohle, feiner, aufwändiger Ausputz einmal beiseite gelassen.

    Ergo entfällt der absolut größte Teil des Aufwands und damit des Preises, den jemand für Maßschuhe zu bezahlen hat, auf die Herstellung
    des "perfekten" Leistenpaares.


    Ein ganz wichtiger Punkt zum Schluss:

    Das Urheberrecht für das Design.

    Einer der aktuell besten Schuhmacher der Welt wie Yohei Fukuda aus Japan, der es versteht seinen Maßschuhen
    unter Berücksichtigung der Kundenfüße und -maße nahezu perfekte Proportionen zu verleihen ,
    wird wohl kaum dem Ansinnen eines Kunden nachgeben sich von ihm Maßleisten fertigen zu lassen,

    damit eventuell ein anderer Schuhmacher darauf/damit Schuhe machen und seinen Namen darauf setzen kann.

    Du kannst also maximal einen Schuhmacher, der weniger bekannt ist oder aus anderen Gründen dazu bereit ist, überzeugen für Dich Maßleisten anzufertigen.
    Je nach Umständen kann das dann etwas preisgünstiger sein - in Deutschland wohlgemerkt,
    aber hierzulande gibt es nicht viele Maßschuhmacher, die gut sind, und bei den wenigen wirklich sehr guten/versierten wäre ich aus den vorgenannten Gründen etwas skeptisch ob sie bereit wären das finale Maßleistenpaar unter der Vorgabe es herauszugeben zu erstellen,
    und wenn, dann wäre dies entsprechend teuer.

    Die Schuhmacher aus der Provinz Fermo dagegen arbeiten zu sehr niedrigen Stundensätzen und arbeiten auch viele Stunden an Schuhen
    ohne sich dafür bezahlen zu lassen: Erfolgsdruck, Umsatzdruck, persönliche Gründe....

    [Die letzten beiden Sätze habe ich mit Bedacht so formuliert]

    Nun mag es durchaus angehen, dass es im Internet ganz andere Meinungen zu dem Thema eigene Maßleisten gibt. :rolleyes2:

    Nachtrag:
    In der Datenbank, bleiben wir bei Deutschlands bekanntestem Leistenhersteller, der Firma SPENLÉ, wird es garantiert zig Datensätze
    mit ähnlichen oder sogar identischen Fußmaßen geben wie die, die ein Schuhmacher von Deinen Füßen abgenommen hat.

    Das wären dann Maße + Leisten = Maßleisten,
    aber ohne jedwede Berücksichtigung Deiner anatomischen Besonderheiten wie Fußstellung, Schrittweite, Gangart usw..

    Insofern wäre es für diese Firma gerade mal ein Knopfdruck die "gewünschten" Leisten von der CAM-Fräsmaschine fertigen zu lassen.
    Ob die darauf dann gefertigten Probeschuhe Dir passen, hängt zum Großteil auch von Deinem subjektiven Empfinden = Sensorik ab
    wann Dir die Schuhe sehr gut passend erscheinen.

    Das finale Schuhdesign basierend auf solchen Leisten würde ich dann als "durchschnittlich" bezeichnen wollen.

    Deine persönliche Erwartungshaltung an den jeweils ausführenden Schuhmacher wird wohl auch ihren Teil zum Ergebnis beitragen...
    Dazu kommt - wie immer wenn Menschen zusammen arbeiten müssen - die Wellenlänge = wie gut sie sich miteinander verstehen.

    Die Haftungsfrage wer denn nun für die unzulängliche Passform der Maßschuhe verantwortlich ist,
    der Schuhmacher, der in der Leistenherstellung involviert war oder derjenige, der die Schuhe auf Kundenleisten gemacht hat,
    wäre delikat.
    Zudem ändert sich im Laufe der Tragezeit die Fußform, und damit auch die der zugrunde liegenden Leisten, und je nachdem welche Schuhe
    der Auftraggeber wie viele Jahre zuvor getragen hat.
    Daher empfiehlt es sich in die Hände eines Maßschuhmachers zu begeben, ihm zu vertrauen und darauf zu bauen, dass er die Maßleisten
    entsprechend und relativ kostengünstig später anpasst.

    11 Mal editiert, zuletzt von urban (12. August 2022 um 14:08)

  • Das ist meiner Meinung nach ein sehr interessanter Thread über Schuhleisten im Allgemeinen und Maßschuhe im Besonderen,
    insbesondere wenn man im Internet quer liest und dabei ein Augenmerk auf die sehr diffusen Thesen wie "mein optimaler Leisten"
    oder die teilweise kruden Thesen + Theorien der Schuh-Influencer richtet.
    Deswegen habe ich die Fragestellung und meine Antwort, die zugegeben noch ausführlicher sein könnte,
    aber aus Gründen des leichteren Verständnisses etwas gerafft ist, via DEEPL übersetzt.
    Später lese ich die englische Übersetzung Korrektur, im Moment läuft mir die Zeit davon... :pardon:

  • Vielen Dank, Urban!

    Ich war gestern wohl schon sehr müde. Ich wollte etwas schreiben wie "EigeneN Leisten zum Schuhmacher schicken". Leider kann ich das nicht mehr ändern.

    Meine Idee war, dass die Anfertigung eines guten Leistens viele hundert Euro kostet, ich danach aber nicht auf einen einzigen Schuhmacher festgelegt sein möchte, bspw., weil es bei anderen Schuhmachern interessante Modelle gibt. Andererseits möchte ich aber auch keinen Maßleisten anfertigen lassen, um dann woanders Schuh von der Stange zu kaufen.

    Es ist sicherlich richtig, wenn du schreibst, dass es schwierig ist, am Ende auszumachen, wer Schuld trägt an der Passform. Das ist allerdings bei Maßschuhmachern, die lediglich vermessen und dann die Daten weitergeben, auch so.

  • admin 12. August 2022 um 17:02

    Hat den Titel des Themas von „Eigener Leisten zum Schuhmacher schicken?“ zu „Eigenen Leisten zum Schuhmacher schicken?“ geändert.
  • Schuhmacher verlangen nur bei der Erstbestellung einen Aufpreis für den Leisten, der unter den Selbstkosten liegt;
    sie können daneben x-beliebige Modelle machen - Du musst ihnen nur sagen was Du genau willst.

    Die einzige Frage ist die einen guten Maßschuhmacher, mit dem man sich versteht, zu finden, denn es gibt vielleicht in ganz Deutschland
    so 10 bis 20 gute Werkstätten.

    Orthopädische Schuhe sind keine Maßschuhe im eigentlichen Sinn!

    Aus welcher Gegend kommst Du und wie weit bist Du bereit zu fahren?

    Einmal editiert, zuletzt von urban (12. August 2022 um 19:39)

  • Wenn jemand noch nie zuvor Maßschuhe mit Fußgewölbeunterstützung getragen hat, dann empfehle ich gerne
    mit ein, zwei paar Schuhen aus der bekannten Gegend von Montegranaro zu beginnen:
    Die Füße werden sich binnen 1, 2 3 Jahren anpassen, sprich etwas schmäler vielleicht und kürzer, weil das Gewölbe hochgedrückt wird.
    Zudem sind die Schuhe dort sehr preisgünstig zu haben selbst wenn man das verlängerte Wochenende hinzu rechnet.


    Wer will, der kann natürlich auch gerne direkt zu einem deutschen Maßschuhmacher gehen, Benjamin Kleemann, Hamburg, Ryota Hayafuji, München,

    Vauk Neumünster, Posh-Berlin oder zu Korbinian Ludwig Heß in Berlin - es gibt noch weitere renommierte Schuhmachereien.

    Aber zurück zu den Schuhleisten:
    Die Grundidee klingt logisch wenn man davon ausgeht, dass solche Leisten einfach zu schnitzen seien wenn die Fußmaße einmal vorliegen.

    Das kann auch durchaus mal hinhauen, dass das erste Leistenpaar bereits weitgehend alle Aspekte berücksichtigt und
    zu dem subjektiven Empfinden, dass die Probeschuhe "perfekt passen", des Auftraggebers führen.

    Glück gehabt!
    Es kommt halt darauf an welche Erfahrungen jemand bereits mit Schuhen gesammelt hat, wie viel Wert er auf den "perfekten Sitz" legt
    und welchen Aufwand des Schuhmachers jemand zu bezahlen bereit ist.

    Im Internet ist nur leider kaum ein erstklassiger Maßschuhmacher vertreten, auf Anhieb fällt mir kein deutschsprachiger ein.

    Einmal editiert, zuletzt von urban (12. August 2022 um 20:03)

  • Aus welcher Gegend kommst Du und wie weit bist Du bereit zu fahren?

    Etwa aus der Nähe Münster. Ich war lange nicht mehr aktiv im Forum, aber man kann noch meine Berichte aus Montegranaro finden, wo ich die Alessandrinis und die Ripanis besuch habe.

    Bei eigenem Leisten (nicht nur angepassten Leisten + Probeschuhe) wäre allerdings das Problem, dass ich dort mehrmals vorstellig werden müsste. :)

  • Wenn jemand noch nie zuvor Maßschuhe mit Fußgewölbeunterstützung getragen hat, dann empfehle ich gerne
    mit ein, zwei paar Schuhen aus der bekannten Gegend von Montegranaro zu beginnen:
    Die Füße werden sich binnen 1, 2 3 Jahren anpassen, sprich etwas schmäler vielleicht und kürzer, weil das Gewölbe hochgedrückt wird.
    Zudem sind die Schuhe dort sehr preisgünstig zu haben selbst wenn man das verlängerte Wochenende hinzu rechnet.


    Da war ich. Allerdings hat Luca sich inzwischen beispielsweise auf sehr hochpreisige Schuhe spezialisiert.

  • Im Internet ist nur leider kaum ein erstklassiger Maßschuhmacher vertreten, auf Anhieb fällt mir kein deutschsprachiger ein.

    Sagen wir, ich würde im nächsten Jahr zufällig nach Japan fliegen (Urlaub, nicht wegen der Schuhe) und dort einen Termin bei einem renommierten Meister bekommen. Was meinst du, wie groß wäre der "Verlust", wenn ich den Probeschuh dann allein zu Hause anprobieren und meine Eindrücke lediglich schildern würde, anstatt nochmals dort vorbeizugehen?

  • Die Frage ist die ob der Schuhmacher das akzeptieren würde, da er die Feinarbeiten am Schuh nicht machen kann;
    je angesehener der Schuhmacher desto mehr wird er darauf bestehen die Schuhe optimal anzufertigen.
    Wenn schon, denn schon!

    Meine Meinung dazu wäre, dass das mündliche Beschreiben des Trageergebnisses bei weitem nicht ausreicht, da er, der Schuhmachermeister,
    allein anhand der Tragespuren an den Probeschuhen, Oberleder und Laufsohle/Absatz, weit mehr Rückschlüsse ziehen kann auf die Passform
    als dem Kunden aufgefallen sind.
    Daneben wird er wahrscheinlich die Probeschuhe aufschneiden, um die größtmögliche Genauigkeit bei den finalen Schuhen zu erreichen zu können,
    denn er hat schließlich einen Ruf zu verlieren!

    Alternativ könntest Du Dir Maßschuhe eines Japanischen Maßschuhmachers in München oder in Florenz machen lassen.

    Beide Städte sind nicht aus der Welt dank der Reisemöglichkeiten, oder Du fliegst ein zweites Mal nach Japan. :wink:

  • Meine Meinung dazu wäre, dass das mündliche Beschreiben des Trageergebnisses bei weitem nicht ausreicht, da er, der Schuhmachermeister,
    allein anhand der Tragespuren an den Probeschuhen, Oberleder und Laufsohle/Absatz, weit mehr Rückschlüsse ziehen kann auf die Passform
    als dem Kunden aufgefallen sind.

    Genau das fürchte ich leider auch. Danke, Urban!

    Ich werde einfach mal hier und dort anrufen. Mein Japanisch wird immer besser. Wenn ich erstmal die Hiragana kenne, hält mich nichts mehr auf ... :D

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