WELLIS Chemiserie (Böhny + Wellis)
Forchstrasse 2 (am Kreuzplatz)
8008 Zürich
http://www.boehny.ch/index.php/wellis
QuoteDisplay MoreAls das Probehemd ihm am Oberkörper sass wie ein inniges Versprechen, bestellte der Kunde bei Margarethe Graf auf einen Streich sechzig Masshemden. Zwanzig Stück für jeden seiner drei Wohnsitze, um immer perfekte Hemden genau nach seinem Wunsch zur Hand zu haben. Seit zwölf Jahren besitzt Margarethe Graf am Kreuzplatz in Zürich die Chemiserie Wellis. Es ist das einzige Atelier der Schweiz, in dem noch Hemden und Blusen nach Feinmass gefertigt werden. «Kunden, die sich ein Hemd nach Feinmass schneidern lassen, tun das in erster Linie für sich selbst», sagt sie. «Das ist kein Statement nach aussen wie eine protzige Uhr. Mit einem solchen Hemd verwöhnt man sich selber.»
Nur wer ein besonderes Auge hat, erkennt bei jemand anderem das Masshemd. Die Passform ist perfekt, der Stoff aus*sergewöhnlich. Wer es trägt, findet nirgends zu viel oder zu wenig Stoff. Der Kragen nach Wunsch hoch oder niedrig, weich oder etwas härter, Haifisch oder Kent – aber im Umfang immer passend.
Jedes Stück ist ein Unikat, auf den Körper des Trägers zugeschnitten. Erst wird ein individuelles Schnittmuster für jeden einzelnen Kunden hergestellt, dann wird einmalig ein Probehemd geschneidert. Nach einer Anprobe und Änderungen werden die Hemden von Hand genäht. «Man findet kaum noch Leute, die das können», sagt Margarethe Graf, die mit Böhny an der Zürcher Augustinergasse noch ein zweites Spezialgeschäft für Accessoires, Hemden und Blusen führt. Der Beruf der Weissnäherin ist in der Schweiz ausgestorben, und in der Kunst der Hemdenschneiderei wird niemand mehr ausgebildet.
Margarethe Graf hatte Glück, sie fand Mitarbeiterinnen aus Italien und Polen, die das Handwerk noch beherrschen und im Atelier am Kreuzplatz mit Engelsgeduld Knopflöcher säumen, die Krägen aus Schichten aufbauen und die Teile des Hemdes sorgfältig zusammennähen können. Monogramme oder Familienwappen bringt eine Stickmeisterin am Stickrahmen von Hand an.
Sehnsucht nach handfesten Werten
Wer ein Feinmasshemd bestellt, sucht sich den Stoff aus ägyptischer Baumwolle aus, den Graf beim appenzellischen Stoffproduzenten Alumo bezieht. Neben den Klassikern in Weiss und Blau gibt es eine riesige Auswahl an Farben und Webmustern – ideal für jeden, der sein persönliches Hemd tragen möchte. «Wir lieben das Kleine, Feine, handwerklich Sorgfältige», sagt Margarethe Graf. «Unsere Kunden sind Gleichgesinnte, die wie wir Wert auf gute, solide und kostbare Verarbeitung legen. Wir freuen uns, wenn die kleinen Unterschiede in der Herstellung bemerkt werden.»
Und von denen, die sie bemerken, gibt es einige. Sie sind all der Produkte überdrüssig, die sich, egal ob man sie in Paris, *Zürich, London oder Singapur ersteht, überall auf der Welt zum Verwechseln ähneln. Gesucht sind Schuhe, Anzüge, Hemden oder Taschen, die Individualität ausdrücken. Der alte Ratschlag von Oscar Wilde, «Sei du selbst, jeden anderen gibt es schon», trifft den Zeitgeist genau.
Die Einsicht, dass es wichtig ist, selbst zur Marke zu werden, sowie der Wunsch nach Individualität haben sich in den letzten Jahren tief ins Bewusstsein eingegraben. Auf den Strassen *mischen sich unter die dezent gewandeten Anhänger der «Ich will nicht auffallen»-Haltung immer öfters auch bunte Vögel, die ihr Outfit aufpeppen. Mal sachte mit einem farbigen Band an der Uhr, bunten Schnüren am Handgelenk, mal mutiger mit roten Hosen und bunten Socken, einem Anzug im Karomuster oder englisch mit Chalk Stripes. Es scheint, als sehne man sich in unseren Tagen, in denen das Leben oft in den virtuellen Raum abgeglitten ist, nach Handfestem, dessen Wert man spüren kann. Und man findet es bei den Produkten, die man am Leib trägt.
Quelle: http://www.bilanz.ch/mode/mode-individualitaet-nach-mass