Schuhmacherhandwerk Der Lehrling aus Hiroshima Benjamin Schieler, 27.11.2011 08:56 Uhr
Stuttgart - Über diesen einen Tag redet Keiko Fukumitsu nicht gern. Ihr Körper sträubt sich förmlich dagegen. Als ihr eine Strähne ins Gesicht fällt und sie nichts dagegen tut, sie nicht aus dem Blickfeld pustet oder wischt, wirkt sie wie gefesselt. "Es war schrecklich, ein anderes Wort fällt mir wirklich nicht ein", sagt die 23-Jährige. Das liegt nicht allein daran, dass sich die Japanerin mit der deutschen Sprache zuweilen noch etwas schwertut. Das Erdbeben, der Tsunami und die Atomkatastrophe von Fukushima sind schlichtweg zu überwältigend gewesen. Hinzu kommt, dass ihr Mitteilungsbedürfnis sehr gering ist. "Europäer", sagt Keiko Fukumitsu, "reden so viel, teilweise ohne Sinn." Dieses ständige "Wie geht's?". Es ist ihr fremd.
Keiko Fukumitsu ist eine Rarität. Sie macht in Deutschland eine Ausbildung zur Schuhmacherin, einem vom Aussterben bedrohten Metier. Gab es vor einigen Jahren in Stuttgart noch eine Berufsschule, muss Keiko Fukumitsu inzwischen regelmäßig zum Blockunterricht nach München fahren. Und dort besteht ihre Klasse zum allergrößten Teil aus Orthopädieschuhmachern und Schuhfertigern. Junge Menschen, die mit konservativen Augen betrachtet ja im Grunde gar keine richtigen Handwerker sind, weil sie kaum noch von Hand arbeiten.